Psychische Belastungen in der Pandemie So wirkt sich das Homeoffice auf den Arbeitsalltag aus
Der Arbeitsalltag vieler Menschen hat sich seit der Corona-Pandemie gravierend verändert. Statt der Arbeit im gemeinsamen Betrieb heißt es jetzt: Homeoffice (-Stress). Hier erfährst du, mit welchen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz du und deine Mitarbeiter konfrontiert werden.
- 04.05.2021
- Katharina Bonn
Bereits bevor die Corona-Pandemie unseren Alltag völlig auf den Kopf gestellt hat, gab es in bestimmten Berufsfeldern und Betrieben die Möglichkeit, auch einmal von zu Hause aus zu arbeiten. Während es damals attraktiv erschien, sich den Weg zur Arbeit ab und an zu sparen, ist das Homeoffice für viele Arbeitnehmer seit Monaten die einzige Möglichkeit, ihrer Beschäftigung nachzugehen und gleichzeitig ihre Gesundheit zu schützen. Wie Studien belegen, birgt die Arbeit im Homeoffice allerdings auch einige Stressfaktoren, denen sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bewusst sein sollten. Digitaler Stress ist dabei nur ein Aspekt. Welche psychischen Belastungen dabei entstehen können und was dagegen helfen kann, erfährst du in diesem Beitrag. Vorher beschäftigen wir uns aber noch mit einer ganz grundlegenden Frage.
Heute erfährst du:
Wann ist Stress eigentlich etwas Negatives?
Bevor wir die Ursache und Wirkung von Stress betrachten können, ist es wichtig, zwischen zwei Arten von Stress zu unterscheiden, denn es gibt nicht nur die eine, negative Form. Tatsächlich kann das Stressgefühl auch etwas positives sein. Das ist dann der Fall, wenn er als Antrieb und Motivation fungiert. Dieser sogenannte Eustress kann uns regelrecht beflügeln und zu Höchstleistungen antreiben. Werden die Momente der Anspannung allerdings zum Dauerzustand, wird der Stress zur Belastung. Dieser negative Stress, auch als Distress bezeichnet, kann auf lange Sicht Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit haben. Wenn du über dieses Thema mehr erfahren möchtest, können wir dir diesen Blogbeitrag empfehlen.
Welche Stressfaktoren birgt das Arbeiten im Homeoffice?
Das Fraunhofer FIT hat bereits während des ersten Lockdowns eine aufschlussreiche Studie durchgeführt, die deutlich zeigt, welche Belastungsfaktoren die digitale Arbeit mit sich bringt:
- Einsatz und Gebrauch von Technologien: Die Veränderungen und Komplexität, die mit digitalen Technologien einhergehen, können zu Verunsicherung führen. Stress kann aber auch erzeugt werden, wenn benötigte Technologien nicht verfügbar sind oder die technischen Systeme nicht zuverlässig arbeiten.
- Auch ein Mangel an Erfolgserlebnissen und die Überwachung der eigenen Leistung durch Technologien kann zum Belastungsfaktor werden.
- Die ständige Überflutung an Informationen, permanente Erreichbarkeit und Unklarheiten bezüglich der Rolle rufen ebenfalls Probleme hervor.
- In diesem Zusammenhang steht auch die Angst davor, keine Privatsphäre mehr zu haben. Dies wird in der Studie als “gläserne Person” bezeichnet.
- Ständige Unterbrechungen können zudem zu Konzentrationsproblemen führen.
In einer vorherigen Studie wurden Arbeitnehmer bereits gefragt, in welchem Maße die Faktoren einer psychischen Belastung durch digitale Technologien und Medien Auswirkungen auf sie haben. Der Vergleich macht deutlich, dass es sowohl Belastungsfaktoren gibt, die nun erhöht sind, während andere hingegen gesunken sind. Als belastender werden Aspekte empfunden, die in direktem Zusammenhang mit einem Mangel an Erfolgserlebnissen stehen, einer nicht vorhandenen Verfügbarkeit von benötigten Technologien, Unklarheiten bezüglich der eigenen Rolle sowie die Omnipräsenz digitaler Technologien. Auf der anderen Seite haben Belastungsfaktoren, wie die Unerfahrenheit mit bestimmten Technologien, abgenommen. Dazu gehören zum Beispiel die Überflutung von Informationen, die Überwachung der Leistung sowie Gefühle von Verunsicherung.
Laut einer Umfrage der AOK von 2019 ist es sogar so, dass Arbeitnehmer, die von zu Hause aus arbeiten, belasteter sind als jene vor Ort. Resultierende gesundheitliche Probleme sind laut der Umfrage Schlafstörungen, Erschöpfungszustände und Schwierigkeiten mit der Konzentration. Auch Faktoren wie Lärm von den Nachbarn, bellende Hunde oder der Verkehrslärm der Straßen tragen dazu bei, dass das Stresslevel steigt. Auch der Spagat zwischen der Kinderbetreuung und dem Arbeitspensum kann herausfordernd sein und mit einem Gefühl der Überforderung einhergehen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Belastungsfaktoren, die das Arbeiten im Homeoffice mit sich bringt.
Wie sieht es mit den privaten Anforderungen aus?
Wenn das private Umfeld zu unserem Arbeitsplatz wird, bringt das ganz besondere Anforderungen mit sich. Wie die Studie des Fraunhofer FIT belegt, steigen besonders Anforderungen emotionaler Art und auch Sorgen um die Finanzen nehmen zu. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Unterstützung in den eigenen vier Wänden, da oftmals alle Mitglieder eines Haushaltes in gleichem Maße unter den genannten Problemen leiden. Daraus resultiert ein Gefühl von Unausgeglichenheit zwischen dem Privat- und Arbeitsleben. Studienleiter Prof. Dr. Henner Gimpel bestätigt, dass eine klare Trennung von Arbeitszeit und Freizeit ebenfalls nicht mehr stattfindet und die Befragten entweder von frühmorgens an oder bis spätabends arbeiten. So verlängern sich die Zeiträume, in denen gearbeitet wird, entweder in die eine oder die anderen Richtung.
Ein weiterer Faktor, den wohl jeder kennt, der von zu Hause arbeitet, ist: Ablenkung. Kurz zwischendurch die Wäsche aufhängen oder den Abwasch erledigen? Auch diese vermeintlich schnellen Aktivitäten summieren sich, sodass sich die Arbeitszeit weiter nach hinten verlängert. Außerdem reißen uns diese Tätigkeiten aus dem Arbeitsfluss heraus, sodass wir wieder etwas Zeit brauchen, um uns im Anschluss erneut auf die Arbeit einzustellen. Ob jemand gut oder weniger gut mit der Arbeitssituation im Homeoffice zurecht kommt, hängt dabei von verschiedenen Aspekten ab.
Wodurch werden die Belastungsfaktoren beeinflusst?
Dass die genannten Faktoren zur Belastung werden können, ist nachvollziehbar. Die Autoren der Studie des Fraunhofer FIT führen jedoch an, dass die sogenannten Kontextfaktoren ebenfalls einen großen Einfluss haben können. Diese haben einen privaten beziehungsweise persönlichen Ursprung:
- Erfahrung mit der Arbeit aus dem heimischen Büro
Haben Arbeitnehmer bereits im Homeoffice gearbeitet, fällt es ihnen auch leichter, digitale Medien und Technologien zu nutzen. Die verschiedenen Anforderungen, die sich hierdurch ergeben, können ebenfalls besser umgesetzt werden. - Verantwortung im Führungsbereich
Die Studienautoren geben an, dass Führungskräfte tatsächlich weniger digitalen Stress im Lockdown haben. Die Omnipräsenz, die für viele Arbeitnehmer während des Lockdowns zum Belastungsfaktor wurde, bestand für Führungskräfte auch vorher schon. Deshalb waren diese gewissermaßen bereits gut darauf vorbereitet. - Zuversicht in Bezug auf digitales Arbeiten
Es klingt simpel, ist aber äußerst effektiv: Wenn Arbeitnehmer zuversichtlich sind, dass sie erfolgreich mit Medien und digitalen Technologien umgehen können, fühlen sie sich durch das digitale Arbeiten auch weniger gestresst.
Wie kann der Stress im Homeoffice reduziert werden?
Den Stressfaktoren und Belastungen, die das Homeoffice mit sich bringt, können mit einigen Maßnahmen entgegengewirkt werden. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass sich deine Mitarbeiter darüber im Klaren sind, welche Probleme mit der Arbeit im Homeoffice verbunden sind, sondern auch du als Arbeitgeber. Die Sicherheit und Gesundheit deiner Mitarbeiter obliegt laut Gesetz nämlich der Chefetage.
- Warnzeichen nicht ignorieren
Wenn Mitarbeiter beispielsweise darüber berichten, dass sie sich schlecht konzentrieren können oder sich überfordert fühlen, sollte dies ernst genommen werden. Überlegt gemeinsam, welchen konkreten Gründe es hierfür gibt und was dagegen unternommen werden kann. - Arbeits- und Freizeit klar trennen
Wir haben es bereits angesprochen: Wenn die Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privatleben verschwimmen, kann es problematisch werden. Umso wichtiger ist es, dass die vorgeschriebenen Arbeitszeiten eingehalten und nicht überschritten werden. Für Arbeitnehmer ist es in diesem Zusammenhang wichtig, Eigenverantwortung zu zeigen und neben den Arbeits- auch die Pausenzeiten wahrzunehmen. Auch eine gute Selbstorganisation ist wichtig, wenn die Struktur des Arbeitsumfeldes fehlt. Ein guter Tipp, um in den “Arbeitsmodus” zu kommen lautet übrigens, sich genauso fertig zu machen, wie man es für die Arbeit tun würde. Das bedeutet im Klartext: Die Jogginghose bleibt im Schrank! Für dich als Arbeitgeber heißt es: Mitarbeiter nur während der Arbeitszeit anzurufen und nicht zu verlangen, dass E-Mail noch nach Feierabend beantwortet werden.
- Einen guten Arbeitsplatz zu Hause schaffen
Für den Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden gilt es einiges zu beachten. Zunächst einmal sollte das heimische Büro ein Ort sein, an dem ungestört gearbeitet werden kann. Auch die Lichtverhältnisse sollten stimmen. Temperaturtechnisch ist es ideal, wenn der Raum zwischen 20 und 22 Grad warm ist. Wichtig ist es auch, dass die Haltung beim Arbeiten stimmt. Deine Mitarbeiter sollten über einen ergonomischen Schreibtischstuhl und einen Schreibtisch verfügen, der die richtige Höhe hat. Die Füße sollten auf dem Boden stehen und die Ober- sowie Unterschenkel einen Winkel von 90 bis 100 Grad haben. - Austausch mit den Kollegen
Das soziale Miteinander und der persönliche Kontakt mit den Kollegen bleibt im Homeoffice leider etwas auf der Strecke. Deshalb ist es wichtig, regelmäßige Meetings anzusetzen, bei denen man sich sowohl auf fachlicher als auch auf der informellen Ebene austauschen kann. Am besten ist es, Videokonferenzen einzuberufen, um sich nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. - Bewegung, Bewegung, Bewegung!
Wer rastet, der rostet: An diesem alten Sprichwort ist leider tatsächlich etwas dran. Wir Menschen sind eigentlich nicht dafür gemacht, den Großteil des Tages über nur zu sitzen. Die Folge können Verspannungen sowie Schmerzen im Rücken und Nacken sein. Deshalb ist es wichtig, zwischendurch aufzustehen, ein paar Schritte zu gehen und sich zu strecken. Spaziergänge von einer halben bis einer Stunde pro Tag schaffen ebenfalls Abhilfe, genauso wie joggen gehen, Fahrradfahren oder eine andere Sportart der Wahl. - Gesunde Ernährung
Ein ganz wichtiger Faktor ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung – und hier bringt das Homeoffice vielleicht sogar Vorteile mit sich. Schließlich gibt es hier in unmittelbarer Nähe eine Küche, in der frische und gesunde Gerichte zubereitet werden können. Besonders wenn wir so viel sitzen, ist es wichtig, leichte Mahlzeiten zu essen. Zum einen bewegen wir uns nicht so viel und verbrennen somit auch weniger Kalorien. Zum anderen machen deftige Gerichte müde. Der Griff zu viel Obst und Gemüse versorgt uns hingegen nicht nur mit wichtigen Vitaminen, sondern macht uns auch leistungsfähiger und steigert das Wohlbefinden. In Bezug auf die Mahlzeiten ist es ebenfalls wichtig, sich dafür Zeit einzuplanen. Am besten ist es, vor Beginn der Arbeit zu frühstücken und das Mittagessen einzunehmen, während eine Pause gemacht wird. Das trägt dazu bei, die erwähnte Trennung zwischen Arbeits- und Pausenzeit besser einhalten zu können.
Das musst du als Arbeitgeber außerdem beachten
Neben den bereits genannten Tipps ist es wichtig, dass auch für den Arbeitsplatz zu Hause eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt. Bei einer Gefährdungsbeurteilung werden die Risikofaktoren evaluiert, die der Arbeitssicherheit, dem Arbeitsschutz und der Gesundheit der Mitarbeiter auch im Homeoffice schaden können. Dazu gehören auch psychische Belastungen. Mehr zu dem Thema Gefährdungsbeurteilung im Homeoffice erfährst du in diesem Beitrag. Natürlich stehen wir von der Deutschen Mittelstandsschutz dir auch gerne bei Fragen beratend zur Seite.
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